Ein Wort zur Motivation

Durchhalten!

von Florian Summa

 

Das Abitur. Im Wörterbuch findet man es eingeklemmt zwischen der Abisolierzange und Abjudikation, in nächster Nachbarschaft zur Abiogenese und nicht weit entfernt von der afrikanischen Stadt Abidjan. Soweit so ernüchternd. Aufschlussreicher wird es, wirft man einen Blick auf die Etymologie des Wortes. Abire, abgehen, heißt es im Lateinischen, da ist es nicht weit zum Abitur, dem – freilich ehrenvollen - Abgang von der Schule. Doch das Spektrum der Bedeutungen von abire ist geradezu gigantisch, und so spuckt das Wörterbuch unter anderem auch aufgeben und sich verlieren als Übersetzungsvarianten aus. Aufgabe und Orientierungslosigkeit, ist es etwa das, was das Abitur für uns bereit hält?

Natürlich nicht. Oder doch? Zumindest spiegelt das Beispiel zwei Seiten einer Medaille wider. Erfolg auf der einen Seite, Misserfolg auf der anderen. Für den Fernschüler ist diese Thematik umso bedeutender, als er mit Rückschlägen und Krisen meist alleine fertig werden muss. Durch den eingeschränkten Kontakt zu anderen Mitstreitern fehlt ihm der positive Gruppeneffekt, der in Durststrecken Ansporn zum Durchhalten gibt und gleichzeitig Raum für neue Motivation schafft.
Die folgenden Gedanken sollen dieses Vakuum ein wenig füllen. Ich selber habe das Fernabitur absolviert, dabei Hoch und Tiefs durchlaufen, mitunter auch ans Aufgeben gedacht. Solche Gedanken sind mit dem Abiturzeugnis in der Hand wie weggefegt. Der gemeine Gymnasiast darf an diesem wohligen Gefühl schon Jahre vorher zumindest ein wenig teilhaben, dann nämlich, wenn die Abiturienten der höheren Jahrgänge feierlich verabschiedet werden. Der Fernschüler indes bekommt davon wenig mit, bei ihm stapeln sich lediglich die Kartons immer neuer Studienmaterialsendungen.

Dass aber auch das Fernabitur zu schaffen ist, zeigen viele erfolgreiche Kandidaten jedes Jahr. Worin liegt deren Geheimrezept? Wenn es denn eines gibt, so spielen Motivationsvermögen und Frustrationstoleranz sicherich eine wesentliche Rolle.
Jeder Fernschüler weiß aus leidvoller Erfahrung, dass das Aufraffen zum Lernen vielfach kraftraubender ist als das Lernen selbst – ein aufs andere Mal muss als Hürde zuerst der innere Schweinehund überwunden werden. Bleibt man da nicht hartnäckig genug, fallen einem plötzlich unheimlich wichtige Dinge ein, die höchste Priorität verdienen und sofort erledigt werden müssen. Fatal: Beim nächsten Anlauf wird es nicht einfacher, der Druck nimmt zu und die Wahrscheinlichkeit eines erneuten Aufschiebens leider auch.

Gerade zu Beginn des Lehrgangs gerät man rasch in diesen Teufelskreis – ich jedenfalls bin unzählige Male hineingetappt. Mit der Zeit aber hat die Hinterlistigkeit des inneren Schweinehundes für mich an Bedeutung verloren, nicht zuletzt auch als Resultat einiger Gegenmaßnahmen. Die Angewohntheit, zu regelmäßigen Zeiten zu lernen, gehört ebenso dazu wie mein ganz persönliches „Belohnungssystem“, wonach das Erreichen festgelegter Ziele mit einem Kinobesuch oder ähnlichem belohnt wurde.

Die Möglichkeiten zur Motivationssteigerung sind vielfältig – erlaubt ist, was gefällt. Am sinnvollsten ist es aber sicherlich, wenn die Motivation der Freude am Lernen entspringt. Auch bei mir war dies nicht immer und in allen Fächern der Fall. Manchmal war das Durchackern der Hefte lediglich ein notwendiges Übel, in anderen Fächern wiederum kam der Spaß am Lernen nicht zu knapp. Wenn dann auch noch der Lernfortschritt durch eine gute Benotung der Hausaufgabe vom Tutor bestätigt wurde, war der Motivationstank wieder randvoll gefüllt.

Bisweilen leerte sich dieser aber auch wieder rasch. Angehende Fernabiturienten kennen es zur Genüge: das eine Mal quält man sich wochenlang an einem Studienheft ab (manchmal hing es bei mir an einem einzigen Satz), das nächste Mal lässt die Hausaufgabennote zu wünschen übrig und die verbliebene Motivation restlos verpuffen. Hier gilt es, die notwendige Frustrationstoleranz zu entwickeln, sonst wird das ganze Unterfangen schnell zur Qual. Leicht gesagt, doch wie sieht die Praxis aus?

Zunächst einmal ist es wichtig zu wissen, dass man mit seinen Problemen nicht alleine dasteht. Jeder hat hin und wieder Verständnisschwierigkeiten (auch in seinen Lieblingsfächern) und keiner ist davor gefeit, die eine oder andere Hausaufgabe in den Sand zu setzen. Natürlich ist dies ärgerlich, es zeigt aber lediglich, dass man sich den Stoff noch einmal genauer anschauen sollte - schließlich arbeitet man auf eine Prüfung hin. (Dumm gelaufen hingegen, wenn die schlechte Note als Konsequenz einer Abschreibleistung einschwebt, weshalb man davon grundsätzlich die Finger lassen sollte).

Keineswegs sollte man sich dazu verleiten lassen, nach einem Misserfolg das Lernen frustriert an den Nagel zu hängen und auf Gnade von oben zu hoffen. Ähnlich wie ein gestürzter Skispringer seine angeknackste Psyche durch einen unmittelbar folgenden Sprung rehabilitiert, kann auch der Lernende neue Motivation am besten aus neuen Lernerfolgen schöpfen. Sind die Lernhefte hingegen erst einmal in der Versenkung verschwunden, kostet es von Tag zu Tag mehr Überwindung, sie aus ihrem Dornröschendasein zu befreien.

Zugegeben, in der Theorie ist dies leicht dahingesagt und die Umsetzung ist alles andere als einfach. Sie kostet ebenfalls Überwindung – allerdings mit dem Unterschied, dass die aufgebrachte Energie eine gute Investition ist, die sich in vielfacher Hinsicht auszahlt. Nicht nur geht das Lernen schneller von der Hand, es macht auch bedeutend mehr Spaß.

Die ganze Kunst liegt darin, seinen Frust in positive Lernenergie umzuwandeln, welche dann ihrerseits für neue Erfolgserlebnisse sorgt und die positive Einstellung zum Lernen fördert. Diese Kunst ist erlernbar, einzige Voraussetzung ist beständiges Üben. Ich persönlich habe es folgendermaßen gehalten: sobald der angestaute Frust überhand zu nehmen drohte – sei es durch Verständnisschwierigkeiten, mangelnde Erfolgserlebnisse oder auch ein generelles Motivationsloch – verschaffte ich mir in einem ersten Schritt kleine Erfolgserlebnisse auf anderem Terrain, z.B. indem ich einige Vokabeln einübte und damit meine Karteikartensammlung vergrößerte. In einem nächsten Schritt packte ich dann das Problem an der Wurzel und besorgte mir zum Beispiel etwas Sekundärliteratur aus der Bibliothek, um den Lernstoff aus einer anderen Perspektive betrachten zu können. Allein schon aus dem Gefühl heraus, mich aktiv mit dem Problem zu beschäftigen, stiegen Motivation und Durchhaltekraft. Die Erfolgserlebnisse durch Verständnis des Lernstoffes trugen schließlich ihr Übriges dazu bei, dass die Schwierigkeiten bald vergessen waren.

Sicherlich kostet der Biss in den saueren Apfel am Anfang reichlich Überwindung, schließlich könnte man das Problem auch ganz einfach vertagen. Doch aufgeschoben ist bekanntlich nicht aufgehoben. Die Verdrängungstaktik rächt sich gleich doppelt - in Form immer wieder fehlgeschlagener Anlaufversuche und sinkender Motivation.

Durchhaltevermögen, Frustrationstoleranz, Selbstdisziplin – all diese Fähigkeiten gehören zum Handwerkszeug eines Fernabiturienten. Sie müssen ebenso erlernt werden, wie der Lernstoff selbst, ohne dass sie in irgendeinem Curriculum auftauchen. Angesichts ihrer Bedeutung für den persönlichen Erfolg stellen sie eine große Hürde dar – und bieten doch gleichzeitig eine große Chance. Wer nämlich gelernt hat, auch in schwierigen Situationen neue Quellen der Motivation zu erschließen und das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren, kann gelassener durchs Leben gehen. Und ist dies allein nicht schon Ansporn genug, durchzuhalten?

Übrigens: Hilfreiche Tipps zur Motivation im Fernstudium finden sich auch hier